2024-09-28, 13:30–14:00 (Europe/Zurich), Werk
Seit Menschen in von Hierarchie geprägten Kontexten Arbeit leisten, werden sie überwacht; die Observation am Arbeitsplatz ist kein Phänomen des 21. Jahrhunderts. Die jüngeren Entwicklungen in der digitalisierten Arbeitswelt – insbesondere People Analytics – ermöglichen dem Arbeitgeber nun jedoch, die Arbeitnehmenden in einem bisher nie dagewesenen Ausmass und mit bislang unerreichter Intensität zu überwachen. Wie beeinflusst dies die Balance des Machtverhältnisses zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmenden?
Die Veränderungen, welche unter dem (unscharfen) Begriff Digitalisierung zusammengefasst werden, betreffen – insbesondere, aber nicht nur, ausgehend von der Perspektive einer Person, die in einer Industrienation der sogenannten «ersten Welt» lebt – jeden Aspekt des Lebens. Digitalisierung als transformativer und nicht bloss disruptiver Strukturwandel hat die Welt, in der wir leben, rasant, tiefgreifend und unumkehrbar verändert. Der Datenberg, den ein durchschnittlicher Mensch hinterlässt, wird immer grösser, davon ist die Arbeitswelt nicht ausgenommen. Aus diesem Datenberg lassen sich mittels künstlicher Intelligenz Voraussagen treffen und Maschinen (und Menschen) steuern und überwachen. Das ideologische Fundament hierfür liegt in der Quantification, also dem bedingungslosen Glauben an die Vermessbarkeit aller Lebensbereiche.
Seit Menschen in von Hierarchie geprägten Kontexten Arbeit leisten, werden sie überwacht; die Observation am Arbeitsplatz ist kein Phänomen des 21. Jahrhunderts. Die jüngeren Entwicklungen in der digitalisierten Arbeitswelt – insbesondere People Analytics – ermöglichen dem Arbeitgeber nun jedoch, die Arbeitnehmenden in einem bisher nie dagewesenen Ausmass und mit bislang unerreichter Intensität zu überwachen. Wie beeinflusst dies die Balance des Machtverhältnisses zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmenden?
Die Digitalisierung, insbesondere der verbreitete Einsatz von K.I. und People Analytics, führt zu einer sowohl hinsichtlich des Ausmasses als auch hinsichtlich der Intensität verstärkten Überwachung der Arbeitnehmenden, wobei Überwachung immer auch als Machtdemonstration, -ausübung und -konsolidierung des Arbeitgebers zu sehen ist. Insgesamt führt dies zu einer Akzentuierung des auf einer konzeptuellen Ebene unabhängig von der Digitalisierung und auf einer zeitlichen Achse schon vor der Digitalisierung bestehenden Machtungleichgewichts.
Es gilt, die Risiken, nämlich die Re-Kommodifizierung der Arbeitskraft, die Dehumanisierung der Arbeitnehmenden, die Reduktion des einzelnen Menschen auf ein Rädchen in der Maschine – oder ein Megabyte in der Cloud – im Auge zu behalten. Dies wirft die Frage auf, welche Gegenmittel ergriffen werden müssten, um die Balance zumindest ein Stück weit wiederherzustellen.
Dies könnte etwa mittels eins Ausbaus der arbeitsrechtlichen Abwehrinstrumente der Arbeitnehmenden erreicht werden. In einem weiteren Sinne ist auch die Mitbestimmung der Arbeitnehmenden (democracy at the workplace) einzubeziehen.
Neue Technologien eröffnen neue Möglichkeiten zur Gestaltung der Arbeitswelt. Inwiefern diese Möglichkeiten genutzt werden, unterliegt menschlicher Entscheidung. Kurz: Wir haben die Wahl. Wir alle sind die Architektinnen und Architekten der zukünftigen Arbeitswelt.
Dr. iur | Vize-Leiter der Forschungsstelle KOAMI an der juristischen Fakultät der Universität Basel